TELEMEDIZINInnovation und Tradition vereint
Kann ein Arzt wirklich eine zuverlässige Diagnose per Telefon, Videoanruf oder gar Chat stellen? Welche gesundheitlichen Probleme lassen sich per Fernbehandlung lösen? Für wen ist die Telemedizin geeignet? Auf welche Herausforderungen treffen wir in der Telemedizin. Wo sind die Grenzen der Fernbehandlung?
Auch wenn das Wort Telemedizin neu ist, so ist die Fernbehandlung eines Patienten so alt, wie die Hausarztmedizin und das Telefon selbst. Wer kennt es nicht, dass er, bevor er sich auf den Weg in die Praxis gemacht hat, erst seinen Arzt angerufen hat, um vielleicht schon vorher um Rat zu fragen und eine Empfehlung zu bekommen. Oft kann der Arzt uns aus der Entfernung sagen, um welches Problem es sich handelt und sogar ein Rezept für das notwendige Heilmittel ausstellen. So werden uns der Weg in die Praxis und die Wartezeit in einem vollen Wartezimmer erspart. Wer hat nicht schon einmal seine Laborergebnisse oder andere Befunde mit einem Arzt per Telefon besprochen. Ein selbstverständlicher Service, der uns gar nicht modern oder gar merkwürdig vorkommt. Genau das, was die moderne Telemedizin anbietet. Einen bequemen und unkomplizierten Service für die alltäglichen Gesundheitsprobleme sowie Antworten auf Fragen rund um die Gesundheit jederzeit und von überall her.
Innovation
Nur dass heutzutage die technischen Möglichkeiten und die spezielle Ausbildung eines Telemediziners eine viel bessere und sichere Diagnosestellung und Therapie auf die Entfernung hin ermöglichen.
Während wir früher nur das Telefongespräch zur Verfügung hatten, können wir heutzutage über das Video mit dem Arzt sprechen, als säßen wir ihm gegenüber. Der Arzt kann so den Gesundheitszustand des Patienten sehr viel besser einschätzen. Ich sehe zum Beispiel, ob der Patient blass ist und schwitzt oder, ob er Mühe hat zu atmen. Ich kann den Patienten oder eine Begleitperson genau anleiten, wie er sich selber untersuchen kann, z. B. den Bauch abtasten oder verletzte Gliedmaßen bewegen; manchmal, indem ich es ihm an meinem eigenen Körper vormache. Telemediziner sind zusätzlich zu ihrer medizinischen Ausbildung speziell auf die Fernuntersuchung und -diagnosestellung trainiert und ausgebildet. Ein telemedizinisch tätiger Arzt hat gelernt, wie er Untersuchungsmethoden, die den direkten Kontakt zum Patienten erfordern, mit anderen Methoden ersetzen kann. Zusätzlich werden derzeit immer mehr technische Hilfsmittel speziell für die Telemedizin entwickelt, die die Diagnose erleichtern. Mittlerweile existieren Otoskope für die Untersuchung des Ohres, Stethoskope für das Abhören des Herzens oder der Lunge und viele andere Hilfsmittel, die an ein Smartphone angeschlossen werden können und die Eindrücke (Bilder vom Trommelfell des Ohres oder Herz- und Lungengeräusche) direkt zum Arzt bringen. Darüber hinaus können Fotos, z.B. vom Hautausschlag, Befunde, Medikamentenverpackungen etc. per Chat an den Arzt geschickt werden, was die Diagnosestellung weiter erleichtert. Laborergebnisse und andere Befunde können mit dem Arzt ausgetauscht und besprochen werden.
Tradition
Es ist aber nicht alles neu in der Telemedizin. In der Telemedizin gilt mehr als je zuvor die alte Medizinerweisheit, dass mit einer guten Anamnese ein Großteil der Diagnosen gestellt werden kann, noch bevor ein Patient untersucht wird. Eine gute und sorgfältige Befragung des Patienten zu aktuellen Symptomen, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Erkrankungen in der Familie und Allergien gewinnt mehr denn je an Bedeutung, nachdem sie in den letzten Jahren mit zunehmendem technischen Fortschritt der Apparatemedizin in den Hintergrund gerückt war. Der Dialog zwischen Arzt und Patient rückt in der Fernbehandlung wieder in den Vordergrund. Der Arzt muss sich wieder mehr Zeit nehmen für den Patienten. Er muss wieder Zuhören lernen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient sind wichtiger denn je. Wenn ich z.B. einen Patienten im Video untersuchen möchte, muss ich ihm die Bewegungen manchmal an mir selber vormachen. Das schafft Nähe und macht Arzt und Patient zu gleichberechtigten Partnern. Wenn ich an meinem eigenen Bauch herumdrücken oder die Zunge rausstrecken muss, kann ich mich auch besser in die Lage des Patienten versetzen. Die Telemedizin kann also auch Nähe schaffen, obwohl sie aus der Distanz arbeitet.
Die Telemedizin ist nur was für jüngere Patienten?
Nein, die Telemedizin ist für jedermann geeignet, für Jung und Alt, für Familien und Singles gleichermaßen. Für jede der genannten Zielgruppen aus anderen Gründen. Für die jüngeren technologie-interessierten Menschen, weil sie bereits daran gewöhnt sind, viele alltägliche Dinge, wie Einkaufen, Rechnungen zahlen oder die Zugfahrkarte zu kaufen, online zu machen. Die Telemedizin eignet sich für Menschen, die wenig Zeit haben oder viel unterwegs sind. Die Telemedizin ist familienfreundlich. Junge Eltern haben oft Fragen zur Gesundheit der Kinder. Diese können unproblematisch auch außerhalb der Praxiszeiten und von zu Hause aus beantwortet werden. Für ältere Menschen wiederum ist die Telemedizin hilfreich, wenn sie weniger mobil sind. Dann können sie jederzeit einen Arzt um Rat fragen, auch wenn gerade keiner da ist, der sie in eine Praxis bringen kann. Das bringt Unabhängigkeit und Sicherheit im Alter.
Das Gespräch zwischen Arzt und Patient, welches der ältere Mensch jederzeit und bequem von Zuhause aus machen kann, ist für ältere, alleine lebende Patienten auch aus psychosozialen Gründen wichtig.
Welche gesundheitlichen Probleme können über die Fernbehandlung gelöst werden?
Es können sehr viele gesundheitliche Probleme über Fernbehandlung gelöst werden. Das Spektrum ist weit und umfasst Erkrankungen aller Fachgebiete der Medizin. Monitoring, Weiter- und Nachbehandlung lassen sich sehr gut über die Fernbehandlung machen. Auch wenn eine apparative Diagnostik erforderlich ist (Labor, EKG, Radiologie, etc.) oder die Therapie einen direkten Kontakt erfordert (z.B. Impfungen) kann eine telemedizinische Triage Zeit und Kosten ersparen. Zweitmeinungen können sehr gut über die Telemedizin eingeholt werden und die Entscheidung für eine bestimmte Therapie erleichtern. Bei Auslandsaufenthalten hat sich die Telemedizin in Form der sog. Auslandsassistance bewährt (siehe auch Artikel: „Sicher im Urlaub“ vom 11.05.2019).