ÜBERGEWICHT BEIM ERWACHSENEN
Der Anteil übergewichtiger Personen nimmt vor allem in der sog. Wohlstandsgesellschaft kontinuierlich zu. Das ist Ausdruck der sozialen Entwicklung einer Gesellschaft, in der das Angebot an Nahrung stetig zunimmt und die körperliche Aktivität abnimmt. Mit zunehmendem technischem Fortschritt ist die schwere körperliche Arbeit fast vollständig aus der Arbeitswelt verschwunden. Die vielfältigen gesundheitlichen Folgen des Übergewichts und der Adipositas (Fettsucht) wirken sich negativ auf die Lebenserwartung aus und führen zu einem erheblichen Kostenanstieg im Gesundheitswesen. Die Therapie des Übergewichts und der Adipositas gehört zu einer der größten Herausforderungen in der Medizin. Die Prävention ist der wichtigste Pfeiler im Kampf gegen das Übergewicht. Dabei reichen Information und Aufklärung bei weitem nicht aus. Vielmehr brauchen wir Vorbilder, und zwar Vorbilder, die zu mehr Bewegung einladen und keine Schönheitsideale, die der Durchschnittsbürger zwar bewundert, aber mit denen er sich kaum identifiziert.
Body Mass Index (BMI) und Übergewicht
BMI= Körpergewicht [kg] / (Körpergröße [m])2
Der BMI wird in der Praxis zur Einschätzung der Ausprägung des Übergewichts und zur Berechnung des kardiovaskulären Risikos verwendet.
BMI 18-25 kg/m2 Normalgewicht
BMI 25-30 kg/m2 Übergewicht
BMI 30-35 kg/m2 Adipositas Grad I
BMI 35-40 kg/m2 Adipositas Grad II
BMI >40 kg/m2 Adipositas Grad III
Auswirkungen des Übergewichts und der Adipositas
An erster Stelle steht die Trias aus
– Arterieller Hypertension (Bluthochdruck)
– Fettstoffwechselstörungen
– Diabetes Mellitus Typ II,
mit nachfolgenden arteriosklerotischen Komplikationen durch Verkalkung der Gefäße, die zu einem erhöhten Risiko, einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt und andere Durchblutungsstörungen zu erleiden, führen.
Darüber hinaus
– Erhöhtes Krebsrisiko, vor allem für Dickdarm-Krebs
– Schnellerer Verschleiß der Gelenke
– Unfruchtbarkeit
– Psychologische Probleme durch Stigmatisierung
– Entwicklung von gestörtem Essverhalten
Ursachen und Risiken für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas
An erster Stelle stehen genetische Ursachen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir noch über Gene verfügen aus der Zeit, in der es für das Überleben eines Individuums wichtig war, bei Verfügbarkeit von Nahrung schnell zuzunehmen und in Hungerperioden langsam abzunehmen. Dementsprechend wurden unsere Gene im Zuge der Evolution angepasst. Jetzt kommen in unseren Regionen aber praktisch keine Hungersnöte mehr vor.
Des weiteren:
– Bewegungsmangel
– Hormonelle Ursachen (z.B. Schilddrüsenerkrankungen, Polyzystisches Ovarialsyndrom)
– Stoffwechselerkrankungen
– Medikamente (z.B. Antidepressiva, Steroide)
– Stress
– Essstörungen
– Nacht-/ Schichtarbeit und Schlafmangel
– Niedriger sozioökonomischer Status
Therapie des Übergewichts und der Adipositas
Die Therapie des Übergewichts gehört zu den schwierigsten Aufgaben in der Medizin. Das Wichtigste ist, dass der Patient selber abnehmen möchte und nicht dazu überredet worden ist. Ein dauerhaft bleibender Therapieerfolg erfordert eine lebenslange Umstellung des Lebensstils. Wenn der Patient zur Therapie überredet worden ist, es selber aber nicht möchte, ist der Misserfolg vorprogrammiert.
Es existiert ein großer Markt an Angeboten für die Behandlung von Übergewicht. Den Anbietern garantieren die Angebote ein sicheres Einkommen, weil die Patienten in der Regel immer wieder kommen.
Das Gewicht zu reduzieren ist wesentlich einfacher, als anschließend das geringere Gewicht zu halten.
Die meisten Diäten sind mehr schädlich als nützlich, weil sie einseitig sind und zum sog. Jojo-Effekt führen. Die abwechselnde Ab- und Zunahme des Gewichts ist langfristig aber schädlicher für die Gesundheit als das Übergewicht selber.
Die Therapie hängt vom Grad des Übergewichts bzw. der Adipositas ab.
Bei einem BMI zwischen 25 und 30 muss man bei Abwesenheit anderer Risikofaktoren aus medizinischer Sicht nichts machen, da wissenschaftliche Studien gezeigt haben, dass diese Gruppe der Personen sogar die höchste Lebenserwartung hat. Wenn jedoch zusätzlich Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte oder ein Diabetes Mellitus vorliegen, empfiehlt es sich, das Gewicht sanft zu reduzieren.
Ab einem BMI von 30 sind strukturierte Programme aus Bewegung und Ernährungsberatung die Therapie der Wahl.
Dabei ist die Bewegung der wichtigste Teil der Therapie. Für einen Trainingseffekt sollte man wenigsten 3 mal pro Woche körperlich aktiv werden. Den größten Effekt erhält man bei 30 min 5 mal pro Woche. Dabei muss man nicht unbedingt Höchstleistungen in einem Fitnessstudio erbringen. Viel wichtiger ist die alltägliche körperliche Aktivität: schnell zu Fuß laufen, anstatt das Auto zu nehmen, die Treppen steigen anstatt mit dem Fahrstuhl zu fahren, den Einkauf tragen und Hausarbeit verrichten.
Bei ausreichender regelmäßiger körperlicher Aktivität ist es fast nicht mehr wichtig, was man isst, sondern nur, wie hoch die Kalorienaufnahme ist. Die Gesamtkalorienzahl und der Fettgehalt sollten reduziert werden.
Die beste Diät ist die mediterrane Kost, weil es eine gesunde, alle Nährstoffe enthaltende Mischkost ist, bei der man auf nichts verzichten muss. Das Geschmackerlebnis ist hoch, und man muss keinen Hunger leiden, was für den Erfolg sehr wichtig ist.
Bei einem BMI von >35 sollte zusätzlich das Vorhandensein von Essstörungen überprüft und gegebenenfalls mit einer Psychotherapie behandelt werden. Hier ist die Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen notwendig.
Ab einem BMI von 40 oder bei einem niedrigerem BMI aber mehreren fehlgeschlagenen konservativen Therapieversuchen, kommen chirurgische Maßnahmen in Frage. Grob unterscheiden wir zwei Gruppen von Eingriffen, die beide minimalinvasiv durch das sog. Schlüssellochverfahren gemacht werden können. Bei den restriktiven Verfahren, wie dem Magenband wird das Magenvolumen verkleinert, was zu einem schnelleren Sättigungsgefühl und damit einer geringeren Nahrungsaufnahme führt. Darüber hinaus gibt es Verfahren, die einerseits das Magenvolumen verkleinern und gleichzeitig die Nahrungsresorption verringern. Dazu gehören die Magenteilresektion (Entfernung eins Teils des Magens) und der Magenbypass (teilweise Umgehung des Magens).
Für alle Patienten gilt, dass sie eine lebenslange Veränderung ihrer Gewohnheiten umsetzen müssen. In der Regel benötigen die übergewichtigen Patienten eine dauerhafte fachliche Betreuung.